Viele sogenannte Marketing-Trends sind schon wieder vorbei, wenn alle darüber gebloggt haben. Man denke etwa an den Aufstieg und Fall von Clubhouse. Im digitalen Raum ist immer etwas los, und die meisten Themen halten sich kaum länger als die Insta-Stories deiner Freunde.
Deshalb lassen wir solche Eintagsfliegen hier außen vor – treu nach dem Motto: Wenn ein Thema nur für ein Jahr oder weniger auf der Agenda steht, ist es kein Trend, sondern eine Mode. Stattdessen sehen wir uns echte Trends im digitalen Marketing an, die uns noch lange begleiten und nachhaltigen Einfluss darauf haben werden, wie wir in den nächsten Jahren unsere Marken positionieren und unsere Produkte vermarkten.
Bist du bereit für einen Blick in die Zukunft? Dann los!
Trend Nr. 1. Datenschutz im Fokus
Vorbei sind die Zeiten, in denen die Öffentlichkeit davon ausging, das Internet sei kostenlos und die Anbieter stellten ihre Services aus Jux und Dollerei online.
Immer mehr Verbraucher verstehen, dass wir für viele attraktive kostenlose Dienste mit unserer Privatsphäre bezahlen. Eine lange Reihe von Datenschutzskandalen – vom Cambridge-Analytica-Skandal bei Facebook im Jahr 2018 bis zur jüngsten Kontroverse um den Austausch von Metadaten bei WhatsApp – erinnert nachdrücklich daran.
Auch ein Blick auf die Suchvolumen für die Stichworte „Datenschutz“ („data privacy“) und „Verschlüsselung“ („data encryption“) in der Keyword-Datenbank von Semrush zwischen November 2019 und Oktober 2021 bestätigt den Trend:
Flurry Analytics hat sich einige Benutzerdaten angesehen, nachdem Apple seine Datenschutzrichtlinie so geändert hatte, dass Apps beim Tracking mehr Transparenz bieten mussten. Im Ergebnis lehnten rund 80 % der Nutzer das Tracking durch Apps aus dem App Store ab. Interessanterweise begann allerdings die Zustimmung zum Tracking nach der Änderung langsam zu wachsen.
Apples Kurswechsel sorgte für Furore auf den Märkten – Snapchat verlor 25 % seines Aktienwerts (die Änderung scheint sich auf die Werbeeinnahmen der App ausgewirkt zu haben), und Facebook nutzte Print-Anzeigen, um öffentlichkeitswirksam nachzuziehen.
Wie reagierte Google? Ging noch einen Schritt weiter und startete die inzwischen wieder beerdigte FLoC-Initiative, die datenschutzkonformes Targeting ohne Cookies ermöglichen sollte.
Was bedeutet das für uns Marketer?
- Obwohl es nicht so aussieht, als ob Daten von Drittanbietern in absehbarer Zeit von der Bildfläche verschwinden, sollten Marketer zum direkten Weg der Datenerhebung zurückkehren – regelmäßige Kundenbefragungen per E-Mail, Umfragen in Social Media und persönliche Interviews.
- Targeting dürfte schwieriger werden. Ziehe in Erwägung, die Kosten für die Kundenakquise im Budget etwas höher zu veranschlagen, und achte auf gute Conversion-Raten.
- Organische Strategien werden wichtiger denn je, denn sie werden nicht von Drittanbieter-Cookies oder externen Kräften beeinflusst (abgesehen von Google-Updates und Wettbewerbern). Halte dich also an „klassische“ SEO-Strategien, die auf organisches Wachstum setzen:
- Führe technische SEO-Audits auf deiner Website durch.
- Optimiere für relevante Keywords.
- Optimiere für Core Web Vitals.
Trend Nr. 2. Die Social-Media-Landschaft verändert sich
Die drei bahnbrechendsten Veränderungen in der Social-Media-Landschaft sind:
- TikTok
- Das Ende des Goldfisch-Mythos
- Twitch
TikTok: Das neue Schwergewicht im Ring
Zum ersten Mal seit Jahren wird die Dominanz von Facebook, YouTube und Instagram durch einen neuen würdigen Mitbewerber erschüttert: TikTok. Hier kannst du mehr über die TOP 25 beliebteste Soziale Netzwerke lesen.
Wieder einmal sieht man, wie schnell sich die Lage im Internet verändert. Obige Zahlen von Oktober 2021 hat TikTok bereits weit hinter sich gelassen und verzeichnete bereits im Frühjahr 2022 mehr als 1,6 Milliarden Nutzer.
Mach dein Unternehmen also am besten fit für TikTok, insbesondere wenn du jüngere Altersgruppen ansprechen willst. Manche Unternehmen stellen bereits CTTOs ein – Chief TikTok Officers. Glaubst du nicht? Die Spielzeugmarke Nerf hat es getan.
Der Goldfisch-Mythos: Die Aufmerksamkeitsspanne der Nutzer ist gar nicht so kurz
TikTok ist bekannt für seine Videos in Kurzform – die beliebtesten Videos sind nur rund 15 Sekunden lang. Kombiniert man dieses Wissen mit dem weit verbreiteten Goldfisch-Gerücht, muss man annehmen, dass niemand deinen langen, vertiefenden Video-Content sehen will.
Aber das stimmt so nicht.
Die BBC hat mit dem berüchtigten Mythos aufgeräumt, dem zufolge Menschen eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne haben als ein Goldfisch. An langen Inhalten ist also nichts auszusetzen. Wir haben in unserer ausführlichen TikTok-Studie allerdings herausgefunden, dass du früh die Aufmerksamkeit der Zuschauer fesseln musst. Dann bleiben sie auch bis zum Ende.
Twitch: Der Aufstieg des Gamings (und Live-Streamings)
500 Millionen neue Gamer haben sich in den letzten drei Jahren in der digitalen Arena eingefunden. Sie sind damit Teilnehmer eines Marktes im Wert von stolzen 280 Milliarden US-Dollar geworden. Kurz: Gaming boomt.
Twitch ist einer der größten Nutznießer dieses Trends. Die Live-Streaming-Plattform verzeichnet laut Semrush Traffic Analytics mehr als 1 Milliarde monatliche Besucher – Zahlen, die in die Größenordnung der führenden sozialen Netzwerke hineinragen.
Was bedeutet das für uns Marketer?
- Ob es uns gefällt oder nicht – TikTok und Reels werden uns weiterhin begleiten. Genau wie Twitch. Und sie bleiben nicht nur, sie wachsen. Also ist deine Präsenz auf diesen Plattformen ein Muss.
- TikTok und Twitch haben eine hochgradig aktive Nutzerbasis mit ihren eigenen Promis. Das bedeutet, dass du dir in all dem Trubel am besten Gehör verschaffst, indem du in Influencer-Marketing, gesponserte Inhalte und native Werbung investierst, statt zu versuchen, mit den Kreativen auf diesen Plattformen zu konkurrieren.
- Es ist in Ordnung, weiterhin lange Inhalte zu erstellen – mit Erleichterung haben wir zur Kenntnis genommen, dass Menschen geistig doch fitter sind als Goldfische. Informiere dich aber über selektive Aufmerksamkeit – dies wird dir helfen, den Fokus der Benutzer auf deine Themen zu lenken.
- Dank Twitch wird Live-Streaming immer wichtiger. Setze also auf deine To-do-Liste, mit diesem neuen Videoformat zu experimentieren, falls du das noch nicht hast.
Trend Nr. 3. Sei menschlich. Im Ernst.
Wir wollten ja keine Trends aufzählen, von denen du schon etliche Male gehört hast, aber dieser ist wirklich schwer zu übergehen.
Du kannst nicht mehr nur innerhalb der Logik von Verbraucher-Marken, B2B und B2C agieren – was zählt, ist die Verbindung von Mensch zu Mensch.
Natürlich muss man ein tolles Produkt haben, um Kunden zu gewinnen, aber das allein genügt nicht mehr.
Deine Marke wird jetzt – und immer mehr – darüber definiert, wofür sie steht: die Kultur und die Werte des Unternehmens. Der Nutzen deiner Produkte und Dienstleistungen ist zweitrangig.
Egal, ob du Microsoft oder Airbnb bist – deine Kommunikation muss den Menschen im Blick haben, und dieser Wandel hat sich während der Pandemie nur noch verstärkt.
Was bedeutet das für uns Marketer?
Marken müssen ernsthaft ihre Kommunikationsstrategien überarbeiten:
- Der Tonfall (Ton of Voice) wird überall entspannter. Das heißt: eher lockere Formulierungen, mehr Raum für Humor und einfach eine menschenfreundliche Sprache.
- Statt eine argumentative Sprache zu verwenden, nutzen Marken immer öfter das, was wir den „Andeutungsmodus“ nennen – indirekt ihre Überlegenheit und Relevanz zu erkennen geben, statt Kunden „ins Gesicht“ zu sagen, dass sie besser seien als die Konkurrenz.
Trend Nr 4. Verantwortungsbewusstes Marketing
Was wir als verantwortungsbewusstes Marketing bezeichnen, umfasst drei Unter-Trends:
- Öko-Marketing: nachhaltige Produkte, die Umweltbewusstsein fördern
- Transparenz: Keine Marketingtricks, die Kunden täuschen
- Diversität, Inklusion und Gleichstellung: Unternehmenskultur und die Beziehungen zu Kunden, Lieferanten und allen anderen.
Was bedeutet das für uns Marketer?
Einen neuen Ansatz des Wirtschaftens zu verfolgen kann einen langwierigen Umstellungsprozess erfordern. Doch du kannst bereits mit kleinen Änderungen in Richtung bewussten Marketings einen großen Unterschied machen:
- Stelle deine Kunden in den Mittelpunkt
- Verzichte auf frustrierende Popups und dunkle Designmuster, die die Benutzererfahrung beeinträchtigen.
- Setze auf responsives Design, das sich allen Display- und Gerätetypen anpasst.
- Optimiere deine Website für Screenreader, die sie auch blinden oder sehbehinderten Benutzern zugänglich machen. Du kannst auch Audiobeschreibungen für Bilder hinterlegen.
- Verwende ARIA (Accessible Rich Internet Applications), um durch Skripte und Widgets die Barrierefreiheit der Webseite zu verbessern.
- Sei umweltbewusst
- Stelle auf Green Computing um (umweltverträgliche IT).
- Führe in deinem Unternehmen Maßnahmen zum Umweltschutz ein – Recyclingstationen, Mülltrennung usw.
- Fördere Sparsamkeit beim Verbrauch.
- Übernimm gesellschaftliche Verantwortung
- Beteilige dich an lokalen wie globalen gemeinnützigen Projekten – von WWF-Spenden bis zu sozialem Engagement in deinem Stadtteil.
- Ziehe Maßnahmen für Diversität, Inklusion und Gleichstellung in deinem Unternehmen in Betracht.
Trend Nr. 5. Starte ins Metaverse
Es war kein Scherz, als Facebook ankündigte, ein Metaverse aufzubauen.
Tatsächlich ist das Metaverse sogar schon da.
PWC erwartet bis 2030 einen Anstieg des globalen Bruttoinlandsprodukts um 1,5 Billionen US-Dollar durch Virtual Reality und Augmented Reality.
Elemente des Metaverse beherrschen auch die Wörter des Jahres 2021 des Collins Dictionary – NFT („Non-Fungible Token“) ist zum Wort des Jahres geworden, noch vor „Krypto“ und „Metaverse“ selbst.
Daten von Semrush zeigen, dass die Google-Suchanfragen für „NFT“ von Januar 2021 bis Oktober 2021 um 5.400 % in die Höhe geschossen sind.
Momentan sind NFTs noch ein Spiel für eine sehr exklusive Fraktion von Marken und Personen, doch mit fortschreitender Zeit werden immer mehr Nutzer einsteigen.
Glaubst du immer noch, dass du auf das Metaverse verzichten kannst?
Von Brasiliens Impfkampagne in der virtuellen Welt von GTA (Pfizer Brasilien erreichte die Gaming-Community, indem es geimpften GTA-Charakteren blaue Abzeichen am Arm verpasste) bis hin zu Shirleens Meta-Jacke wagen sich Marken und sogar Regierungen in die virtuelle Welt vor, um ihre Kommunikation zu stärken.
Und das solltest du auch!
Was bedeutet das für uns Marketer?
- Die Platzierung von Marken in virtuellen Welten wird in der Zukunft des Marketings einen festen Platz haben. Wenn du dies nicht in den kommenden Jahren in Angriff nimmst, setzt du dich wahrscheinlich erheblich in Nachteil.
- Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir 3D-Versionen von Websites sehen. Stell dir eine E-Commerce-Website vor, die als virtuelles Geschäft fungiert (das wie eine virtuelle Version des guten alten Kaufhauses aussieht) und nicht nur aus einer Reihe von Produktlisten besteht.
- Vielleicht müssen wir unsere eigenen virtuellen Spiele erstellen – um Markenbekanntheit aufzubauen und sich ändernde Zielgruppen anzusprechen.
- Es könnte sich als gewinnbringend erweisen, in die Erstellung virtueller Collectibles und Marken-NFTs (die neuen Statussymbole) zu investieren. Wir werden wahrscheinlich erleben, wie der digitale Logo-Wahn die üblichen Luxusmarken als Zeichen für Exklusivität, virtuelle Hierarchie und die Zugehörigkeit zu einer trendigen Community ablöst. Marken sollten diese aufstrebende neue Art sozialer Statussymbole nutzen.
- Experimentiere mit der Einführung von Direktverkäufen über AR/VR-Apps.
Bist du bereit für die digitale Zukunft?
Wir wissen nicht, wie du die Frage zu Beginn dieses Beitrags beantwortet hast, aber wir gehen davon aus, dass deine Antwort hier am Ende eher nein lautet.
Schau dir diese digitalen Marketingtrends einfach noch einmal an und frag dich, wie viele Häkchen du setzen kannst:
- Datenschutz wird künftig ein großes Thema sein. Ist deine Marketingstrategie bereit für den Datenschutzmodus von morgen?
- Soziale Medien entwickeln sich weiter – weshalb du vielleicht doch deinen eigenen CTTO (Chief TikTok Officer) brauchst. Experimentierst du schon mit neuen Plattformen und Medien?
- Menschlichkeit ist heute wichtiger denn je. Hat deine Marke ein menschliches Gesicht?
- Die Menschen erwarten immer mehr, dass Marken soziale Verantwortung zeigen. Spielst du in dieser Transformation eine aktive Rolle, engagierst dich für verantwortungsbewusstes Marketing und kommunizierst dies auch nach außen?
- Das Metaverse ist schon da. Bist du bereit dafür?
Keine Sorge – noch ist niemand ganz auf diese Trends aufgesprungen. Aber sie werden uns sicher noch lange begleiten. Deshalb solltest du Möglichkeiten finden, sie alle nach und nach aufzugreifen, so lange die Konkurrenz deiner Marke noch nicht den digitalen Rang abläuft.